Rezension des Buches über Symbolik, Deutung und Praxis der Hatha-Yoga-Übungen.
Aus Sylvia Hellmann wird Swami Sivananda Radha
Swami Sivananda Radha (1911 – 1995) ist, oder besser gesagt, war eine Frau und sie war eine gebürtige Deutsche. Den indischen Namen hat Sylvia, mit dem Nachnamen ihres zweiten Ehemanns Hellmann, angenommen, als sie in Indien von Swami Sivananda Saraswati die Mönchsweihe empfing. Laut den Informationen in Wikipedia wurde ihr erster Ehemann im Konzentrationslager Buchenwald ermordet, weil er jüdischen Freunden bei der Ausreise geholfen hatte. Nachdem ihr zweiter Mann nach nur einem Jahr Ehe verstarb, stellte sich für die begabte Schriftstellerin, Photographin und Tänzerin noch umso bedrängender die existenzielle Frage nach dem Sinn des Lebens. Diesen Sinn konnte sie in der Begegnung mit Swami Sivananda entdecken und so verbrachte sie mehrere Jahre als Schülerin in seinem Ashram in Rishikesh.
Auf sein Bitten hin kehrte sie jedoch im Jahr 1956 in den Westen zurück und ging nach Kanada, wo sie selbst einen Yoga-Ashram gründete. Sowohl der Ashram als auch der von ihr gelehrte Yogapfad nennen sich Yasodhara. Mit dem Buch Geheimnis Hatha Yoga möchte die Autorin auf die verborgene Symbolik der Yoga-āsana aufmerksam machen. Es ist eines ihrer Anliegen, dass die westliche Psychologie und die tiefe spirituelle Weisheit des Ostens zusammenfinden. So widmet sie auch ein einleitendes Kapitel dem Thema Yogaphilosophie und Transpersonale Psychologie.
Der Name einer Asana ist ein bedeutsames Symbol
Den Hauptteil des Buches bilden jedoch Beschreibungen der wichtigsten Yoga-āsana, bzw. der mit den āsana verknüpften Symbolik. Die Autorin beschränkt sich in ihrer Auswahl auf 22 Positionen, die sie entsprechend ihrer Bezeichnungen in Gruppen zusammenfasst: Strukturen, Geräte, Pflanzen, Fische-Reptilien-Insekten, Vögel, Großtiere und Shavasana, die Entspannungslage.
Wie geht sie nun vor? Nehmen wir zum Beispiel den Fisch – matsyāsana. Nach einer kurzen Beschreibung der Position und einem Zitat von B.K.S. Iyengar beginnt sie eine Betrachtung zu dem zentralen Begriff des Wassers. Aus der Beobachtung, wie der Fisch sich im Wasser verhält, knüpft sie die Verbindung zum Menschen:
Wenn man einmal Fische im Wasser beobachtet, wird man bemerken, dass sie unaufhörlich in Bewegung sind, um Nahrung zu suchen. Auch der Mensch sucht rastlos nach Nahrung, in erster Linie auf der emotionalen Ebene, bis er allmählich durch die Übung der Asana zu begreifen beginnt, dass er in Wahrheit unbewusst nach spiritueller Nahrung sucht.
Immer wieder gelingt es ihr, Bezüge in dieser Art zwischen dem nach Entwicklung strebenden Menschen und dem symbolischen Charakter der Yoga-āsana herzustellen. Dies schenkt dem Buch eine gewisse getragene Melodie, die den Leser in seinem Wunsch nach Vorwärtsschreiten im Leben anregt.
Verantwortung für Psyche und Geist übernehmen
Es folgt eine Aufzählung von weiteren assoziativen Begriffen wie „Kraft, stromlinienförmig, Widerstand, Flexibilität, Anmut…“ usw. Sodann stellt die Autorin einen Bezug zur Flexibilität der menschlichen Wirbelsäule und ihrem Zusammenhang zum menschlichen Selbstbewusstsein her. In ihren weiteren Ausführungen knüpft sie historische Bezüge, die beim Symbol des Fisches reichlich zu finden sind. Weitere Themen sind die große Sintflut, von der auch in den indischen Schriften berichtet wird, sowie der menschliche Embryo, der ein dem Fisch ähnliches Stadium durchmacht.
Die Sprache im ganzen Buch ist einfach, bildhaft und freilassend für den Leser. Man wird nicht in eine Ecke gedrängt zu bestimmten Denkformen, die man plötzlich übernehmen sollte. Dennoch spürt man das starke pädagogische Anliegen der Autorin, den Leser auf seine Fähigkeit zur verantwortlichen Führung auch des inneren Lebens von Emotionen und Gedanken hinzuweisen. Es ist bestimmt nicht in ihrem Sinn, wenn man die Gedanken zu den verschiedenen Symbolen zu dogmatisch nehmen würde. Die Bilder sollen Anregungen für die Reflexionen sein, die der Yoga-Praktizierende während der Ausführung einer āsana machen kann und die die Erforschung des eigenen Geistes und der tieferen Bewusstseinsverfassung betreffen.
Somit ist das Buch all jenen zu empfehlen, die im Yoga nicht nur körperliches Wohlgefühl suchen. Die Autorin schafft anhand der Yoga-Übungen eine Möglichkeit zur psychologischen Selbsterforschung, die dem westlichen Geist und seinen ihm eigenen Seelenbildern entspricht. Damit schafft sie eine authentische Übertragung des tieferen Sinns des Yoga-Übens für okzidentale Gemüter.
Spiritueller Wert 4/5
Praktischer Wert 3/5
Bildquellen (19-03-02): Cover – derbuchhaendler.at, Fisch – Bild von Bergadder auf Pixabay
Swami Sivananda Radha, Das Geheimnis des Hatha Yoga, Symbolik-Deutung-Praxis, Schirner Verlag, 3. Auflage 2010, 400 Seiten, ISBN 978-3-89767-508-7
Das Buch ist online erhätlich bei derbuchhaendler.at, Amazon.at, medimops.de