Rezension der Informationsschrift über das Höhere Selbst aus der Feder des Theosophen Charles Webster Leadbeater.
Wer sich für das große Gebiet der Esoterik interessiert, tut gut daran, die Person von Charles Leadbeater zur Kenntnis zu nehmen. Im Jahre 1854 geboren, erlernte er später den Beruf des anglikanischen Priesters, wurde aber im Jahr 1884 Schüler der Theosophin Helena Blavatsky. Von da an übte er sich intensiv in geistigen Übungen und erreichte einen sehr hohen Grad an bewusster, nicht bloß medialer, Hellsichtigkeit. So konnte er selbst genau bezeichnen, bis in welche geheimnisvollen Reiche sein Schauvermögen reichte und welche Sphären ihm noch verborgen blieben.
In dieser Kapazität hat er ein bis heute grundlegendes Buch über die Chakren verfasst und auch das vorliegende Büchlein ist als Information für seine Schüler gedacht, die mehr über die Natur des Höheren Selbst erfahren wollten, ohne dass sie es bereits selbst schauen konnten.
Leadbeater spricht davon, dass die geistige Welt in sechs Hüllen eingehüllt sei, von denen nur drei von dem Bewusstsein eines normalen Bürgers – und auch dies nur zu einem gewissen Anteil – erfasst werden könnten. Diese Hüllen oder Schichten nennt er
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die Wahrnehmungsbereiche des physischen Leibes
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die Astralwelt
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die Mentalwelt
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die Kausalwelt
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das Höhere Selbst
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das Nirvana
Jedem dieser Reiche ist ein Kapitel in dem Buche gewidmet. Darin schildert der Autor die Wahrnehmung des Menschen in den jeweiligen Welten und welche Objekte von ihm jeweils erfasst werden können. Als Beispiel möchte ich einmal die Wahrnehmung desjenigen Menschen zitieren, der seine astralen Sinne gebrauchen gelernt hat:
…Wir sehen tatsächlich die feste Welt rings um uns, wenn wir die astralen Sinne gebrauchen. Aber ist eine weit bevölkerte Welt, denn wir sehen dann die Millionen von Sylphen oder Luftgeistern und auch das Heer der Abgeschiedenen, die sich noch nicht über die Astralwelt erhoben haben. Auch höhere Wesen sind nun innerhalb unseres Bereiches, denn wir sehen jene niederste Gattung der Engelevolution, die wir häufig Wunschengel nannten. All unsere Freunde, die noch den ühysischen Körper haben, bleiben bei uns ebenso sichtbar wie zuvor, obwohl wir nur deren Astralkörper wahrnehmen; aber alle ihre Gemütsbewegungen und Leidenschften liegen offen vor uns, und dem Formenmenschen ist es ferner nicht mehr möglich, uns zu täuschen in Bezug auf seine wahren Gefühle in irgendeiner Sache. Seine Gedanken jedoch sind noch verborgen, außer insofern sie seine Gefühle berühren und sich so durch diese offenbaren. (S. 31/32)
Gezielte Schulung zur Hellsichtigkeit
In den durchaus knappen, aber präzisen Schilderungen erfährt der Leser von der Verbindung zu den Verstorbenen und von den Prozessen der Bewusstseinsentwicklung. So schnell wie das Büchlein gelesen ist, so kann die Verwirklichung der dargestellten Schritte in der Hellsichtigkeit sich im Gegensatz dazu über viele Menschenleben hinziehen. Nichtsdestotrotz halte ich diese Schrift für sehr lesenswert, falls man sich für die Möglichkeiten einer gezielten Schulung zur Hellsichtigkeit interessiert oder falls man, sozusagen aus erster Hand, mehr über die geistigen Welten erfahren möchte.
Für moderne Ohren klingt es allerdings wenig akzeptabel, wenn Leadbeater im zweiten Kapitel über den „Wilden“ spricht, „bei dem kaum von einem Bewusstsein außerhalb des physischen Vehikels gesprochen werden kann“. Hier wäre der Herausgeber wohl gut beraten, wenn er eine erklärende Notiz über den zeitgeschichtlichen Hintergrund hinzufügen würde.
Abschließend möchte ich noch die letzten Sätze des Buches zitieren, denn hier wird noch einmal der große Unterschied von einem ernsthaft beschrittenen geistigen Schulungsweg zu unserem modernen Konsum-Esoterismus wahrnehmbar:
All das werdet ihr im Laufe der Zeiten naturgemäß erreichen (in der siebenten Runde, wie wir gesagt haben), sogar dann, wenn ihr euch nur so treiben lasst, ohne eine Anstrengung zu machen; aber viel früher, wenn ihr bereit seid, Mühe und Arbeit zu dessen Erreichung auf euch zu nehmen – harte Arbeit, es ist wahr, jedoch edle Arbeit, die in der Ausführung Freude bereitet, wenn sie auch zeitweise viel Leid mit sich bringen mag. Ist doch der Weg dazu ein Weg des Dienens, und jeder Schritt, den du unternimmst, wird nicht für dich gemacht, sondern für andere, dass durch deine Errungenschaften andere erringen, dass durch deine Bemühungen andere den Pfad finden mögen, dass durch den Segen, der dir zuteil wird, die ganze Welt gesegnet werde. (S. 76)
Spiritueller Wert 5/5
Praktischer Wert 2/5
Charles W. Leadbeater, Das höhere Selbst, Taschenbuch, 76 Seiten, Aquamarin Verlag 2014, ISBN 978-3894276645
Bildnachweis (20-05-11): Amazon