Kriya-Yoga, Boris Sacharow

Kriya-Yoga-Boris-SacharowRezension der kritischen Einführung in die unterschiedlichen Yogawege von dem gebürtigen Russen und Yogirāj (Yogameister) Boris Sacharow (1899 – 1959).

Die Erste Deutsche Yogaschule

Der Autor des vorliegenden Büchleins floh 1919 aus seiner Heimat und ließ sich 1926 in Berlin nieder. Seine Familie wurde in Russland aus politischen Gründen verfolgt. Zuvor hatte er in den Niederlanden Jiddu Krishnamurti und  Swami Sivananda Saraswati kennen gelernt. Daraufhin war er Schüler von Swami Sivananda geworden. 1926 eröffnete er in Berlin die „Schule für indische Körperertüchtigung“. Nach dem Krieg war er wieder auf der Flucht vor den Russen. So kam er nach Süddeutschland, wo er 1946 in Bayreuth eine neue Yogaschule eröffnete mit dem Namen „Erste Deutsche Yogaschule.“

Das Büchlein ist für jeden Yoga-Praktizierenden von Interesse, da der Autor über eine große Sachkenntnis verfügt und vor allem auch sich mit der Sanskritsprache gut auskennt. Er zeigt eine Anzahl von Missverständnissen oder zu allgemein gehaltenen Ansichten bezüglich der Yogawege auf. Dabei begründet er seine Ausführungen mit der Übersetzung von Original-Sanskritversen. Die Souveränität, mit der er seine Einsichten darstellt, führt er im Vorwort auf eine Intuition zurück, die auf Einweihung beruht. Seiner Ansicht nach wäre die Einweihung als Grundlage für tiefere Einsichten in die Dinge heutzutage vielfach sehr notwendig.

Der Yoga und die Yogapfade

Es gibt ja bekanntermaßen unterschiedliche Yogapfade, von denen der haha-Yoga am meisten Bekanntheit im Westen erfahren hat. Wer nun Yoga nicht auf gymnastisches Üben allein reduzieren möchte, für den gewinnt auch die Kenntnis anderer Yogapfade einen Wert.

Boris Sacharow schafft nun als Erstes eine Ordnung innerhalb der verschiedenen Yogabezeichnungen und erläutert schließlich der Reihe nach: Mantra-Yoga, Ha-ha-Yoga, Laya-Yoga, Rāja-Yoga und Kriyā-Yoga. Nach dieser Ordnung ist der Kriyā-Yoga die innere Seele des Gesamt-Yoga.

Das erste Missverständnis, mit dem er aufräumt, ist die Interpretation des Begriffs Yoga selbst. Er legt dar, dass es sich bei der Aktivität im Yoga keinesfalls um ein Aufgeben des Denkens handelt. Am Beispiel des Sutra I,2 von Patanjali – yogaś-citta-vṛtti-nirodhaḥ – legt er dar, dass nirodha hier nicht, wie allgemein geläufig übersetzt “zurückhalten” bedeutet, sondern vielmehr “nicht entstehen lassen”, ähnlich wie nirvāa in Wirklichkeit als “nicht wehen” übersetzt werden sollte.

Damit kommt er auf das Bild, dass der menschliche Geist wie ein aufgewühlter See ist, der zur Ruhe kommen soll,

damit sich in ihm die ganze Landschaft widerspiegelt (Erkenntnis des Weltalls) und auch der Grund zu sehen sein wird (Selbsterkenntnis). Ist nun dieser Zustand einerseits keine Unterdrückung (Zurückhaltung) der Modifikationen des Denkens, so ist er ebensowenig eine “Nicht-Existenz” wie es aus der Auffassung südlicher Buddhisten hervorgeht. (S.17)

Kritik am Buddhismus

Mit einer großen Sicherheit räumt Boris Sacharow an dieser Stelle gleichzeitig mit der buddhistischen Idee eines Nicht-Ich des Menschen auf, die immer wieder in buddhistischen Texten auftaucht. Er erklärt nämlich die Vorstellung, dass das individuelle Dasein des Menschen “nichts weiter als ein bloßer Prozess körperlicher und geistiger Phänomene ist,…keine Persönlichkeit,” als „notorischen Unsinn.“ (S.17/18)

In ähnlichem Stil folgen noch einige weitere sehr aufschlussreiche Richtigstellungen, während nach und nach auch ein Bild eines sich entwickelnden Yogaweges erzeugt wird, das man in etwa folgendermaßen zusammenfassen kann:

Mantra-Yoga: der Übende lernt, sich von der Verehrung einer Vielzahl von Wesenheiten im Bhakti-Yoga zur Vereinigung mit einer monotheistischen Gottesvorstellung (īśvara) zu konzentrieren.

Ha-Ṭha-Yoga: Der Übende vereinigt die Kräfte des Einatmens und des Ausatmens und befreit mit dieser Aktivität das Denken von der Hülle, die es von der Anschauung des Göttlichen abhält.

Laya-Yoga: Der Übende erreicht die Gedankenstille, das Glätten des Sees und erlangt damit die Herrschaft über die Phänomene der Weltenschöpfung. Besondere Fähigkeiten (siddhis) prägen sich aus.

Raja-Yoga: Der Übende erlangt die “Erkenntnis des Selbst, die einzig die Befreiung des Geistes aus der Materie bewerkstelligt.”

Kriyā-Yoga: Übersetzt als Mittel der Ausführung, ist der Kriyā-Yoga nach Boris Sacharow die innere Seele des Gesamt-Yoga. Zur Veranschaulichung, um welche Übungen mit welchem Charakter es sich dabei handelt, fügt der Autor am Schluss des Buches noch eine diesbezügliche Tabelle an.

Boris Sacharow und der Yoga in Deutschland

Yogiraj Boris Sacharow (1899 – 1959)

Das Büchlein von dem international eher weniger bekannten Yogameister Boris Sacharow ist eine kleine Perle, allein schon wegen der Auswahl an Sanskritversen aus verschiedenen relevanten Yoga-Schriften und ihrer für deutschsprachige Leser aufgeschlüsselte Übersetzung. Mit seiner Kritik an so manchen oberflächlichen Ansichten über Yoga trifft der Autor durchaus ins Schwarze.

Die Beurteilung, ob seine Anordnung der Yogapfade richtungsweisend sein kann, muss wohl jenen Personen überlassen werden, die selbst genügend Intuition auf der Basis von Einweihung besitzen, um solch ein tiefgehendes Thema richtig einschätzen zu können.

Spiritueller Wert 4/5
Praktischer Wert 2/5

 

Boris Sacharow, Kriya-Yoga, Taschenbuch, 117 Seiten, Heinrich Schwab Verlag, 6. Auflage 2016, ISBN 978-3-7964-0255-5

Das Büchlein ist online erhältlich bei derbuchhaendler.at, Amazon.at, Thalia.at.

Bildquellennachweis (19-03-18): Amazon, heinrichschwabverlag.de

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