Beziehung als Ziel oder „Versuche nicht, das Trauma zu eliminieren!“

Ein Bericht über die Tagung im FORUM bei Innsbruck am 12.3.2023 mit den Referenten Prof. Dr. Dr. Christian Schubert und Heinz Grill

Rum-InnsbruckDer große Veranstaltungsraum im Tagungshaus FORUM in Rum bei Innsbruck könnte zwar noch weitaus mehr Personen fassen, aber an diesem Tag waren mit den etwa 300 anwesenden Personen die bereit gestellten Stühle gut besetzt und die Stimmung zeigte eine gespannte Vorfreude unter den Teilnehmern. Einige unter ihnen hatten wohl bereits im Herbst 2022 an einer Veranstaltung im bayerischen Glonn teilgenommen, wo die beiden Vortragsredner Grill und Schubert zusammen mit dem Historiker und Kindheitsforscher Michael Hüter ebenfalls zum Thema der Entwicklung von Beziehungen referiert hatten. Dieser Sonntagnachmittag schien nun eine Fortsetzung der damals begonnenen Thematik zu verheißen.

Forschungen zur Fraktalen Geometrie des Lebendigen

Christian Schubert

Christian Schubert, Professor für Psychoneuroimmunologie an der Universität Innsbruck

Christian Schubert machte mit seinem Referat den Anfang und führte die Zuhörer behutsam, Schritt für Schritt, in die Welt des biopsychosozialen Denkens ein. Dazu musste er aber erst mit einigen erkenntnistheoretischen Irrtümern aufräumen, wie dem Reduktionismus, der den Menschen mit einer Maschine gleichsetzt und dem Dualismus, der Geist und Materie getrennt betrachten möchte, als ob das eine mit dem anderen nichts zu tun hätte.1

Nach diesen erfolgten Prämissen lauschten die Zuhörer aufmerksam auf die Erläuterungen zum menschlichen Immunsystem, wie nämlich das Gehirn mit dem Bauchtrakt zusammenhängt, indem von oben nach unten Einfluss genommen werden kann, wenn es zum Beispiel einer Tumorpatientin, die verschiedene Methoden aus der Komplementärmedizin praktiziert, aufgrund dieses persönlichen Aktivwerdens im Krankheitsgeschehen gelingt, die Entzündungsprozesse im Körper niedrig zu halten. Schließlich fällt der für die Arbeit von Christian Schubert so wichtige Begriff der „Fraktalgeometrie“ als Zusammenfassung für das Phänomen, wie es Entsprechungen gibt auf der physischen, psychischen und sozialen Ebene beim Menschen, so wie man auch in der Natur überall Entsprechungen entdecken kann, wie z.B. zwischen einem Apfelbaum und seinen verschieden großen Verästelungen, die jeweils eine Ähnlichkeit zum Charakter des Baumes selbst aufweisen.2

Mit einem großen Schwung führt Schubert zuletzt das Thema des Immunsystems bis zur sozialen und sogar politischen Ebene, wenn er „Demokratische Handlungen zur Stärkung des Immunsystems“ empfiehlt. Sein Paradebeispiel hierfür ist der Künstler Joseph Beys, der mit seiner Idee der „sozialen Plastik“ als Pionier die Kunst als Metier zur Verarbeitung und Deutung persönlicher Traumasituationen eingesetzt hat.

Beziehung erfordert Selbstüberwindung

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Heinz Grill, Autor, spiritueller Lehrer, Yogaexperte und Dozent für anthroposphische Medizin

Heinz Grill knüpft zunächst an einigen wesentlichen Aussagen seines Vorredners an, die er mit eigenen Worten wiedergibt und somit für die Zuhörer einen Zusammenhang zwischen den beiden Referaten herstellt. Im Anschluss führt er ebenfalls, wie zuvor Schubert auf seinem Fachgebiet der Psychoneuroimmunologie, nun für das Gebiet der Spiritualität wesentliche Begriffe herein, die für erweiterte Betrachtungen der „Beziehung als Ziel“ notwendig sind. So erscheint ihm die Unterscheidung zwischen dem sogenannten „Gutmenschen“, der sich passiv innerhalb des konventionellen Mainstreams bewegt und dem schöpferischen Menschen wichtig, der eigenständig einen Gedanken wahrnimmt, ihn prüft und schließlich weiter bewegen lernt. Eine Paarbeziehung ist seiner Aussage nach der ideale Nährboden für solch ein schöpferisches Weiterentwickeln von Themen und Gedanken. Über die Nächte hinweg kann schließlich eine tiefere Empfindung zu einer Sache entstehen und diese gibt dem Menschen innere Stabilität.

Das große Thema des Umgangs mit Traumen ist damit angeklungen, denn wer in dieser Weise schöpferisch tätig ist, kann leichter ein eventuelles persönliches Trauma in Ruhe lassen. In diesem Punkt waren sich Schubert und Grill einig: Traumen kann man nicht eliminieren. Sie bestehen im sogenannten Ätherleib des Menschen, bzw. wirken aufgrund der fraktalen Geometrie der Seele immer wieder mit einer Anziehung auf das Umfeld und blockieren zunächst einen Menschen innerhalb seines Werdeganges. Heinz Grill riet nun dazu, eine Art von Gliederung herein zu führen, indem man dem Trauma eine gewisse Relativität zuspricht und es so weit wie möglich in Ruhe lässt. Mit dem Trauma kommt ein Altes zu einem Abriss und man kann nicht mehr so weiter machen wie vorher. Wer sich aber der Situation stellt und Neues ins Leben herein führt, kann lernen, sich über weite Strecken unabhängig von seinem Trauma zu bewegen.

Eine gewisse Selbstüberwindung ist aber für diesen Prozess gefordert, denn man muss sich z. B. die Disziplin auferlegen, dass man nicht das eigene Trauma auf andere projiziert, sondern sich entsprechend zurückhält und erst einmal sich um die Wahrnehmung des anderen bemüht. Das heißt, das eigene Denken und Wahrnehmen müssen von den untergründigen, emotionalen und begehrlichen Trieben frei gemacht werden.

Auf dem Weg von der passiven Verbindung zur schöpferischen Beziehung

Forum-Rum_knoflach.co.atNach einer Sammlung der Fragen aus der Zuhörerschaft ging es dann im zweiten Teil der Tagung darum, einen oder einige wesentliche Gedanken zur Beziehung als Ziel herauszuarbeiten. Tatsächlich interessierten sich auch viele der Zuhörer für die Fragestellung nach dem Umgang mit dem Trauma. Sehr aufschlussreich wurde es in dieser Hinsicht, als der Entwicklungsgedanke in die Diskussion eingeführt wurde: So setzte sich Christian Schubert z. B. dafür ein, dass mit einem Trauma nicht unbedingt nur Negatives verbunden sein muss, denn das Trauma kann einen Menschen aus einer Situation heraus katapultieren, wo es ohnehin nicht mehr weiter gehen würde und kann somit zu einem Motor für eine weitere Entwicklung werden.

Heinz Grill übertrug schließlich die zuvor am Thema des Traumas erarbeitete Gliederung auf die soziale und politische Ebene. Ein Schulleiter einer bayerischen Grundschule hatte zuvor sein Dilemma mitgeteilt, indem er sich durch ständig durch das System auferlegte Zwänge befindet. Der Ratschlag war nun wiederum, eine Gliederung herbei zu führen, indem man dem System, trotz seines scheinbar so übermächtigen Einflusses ein relatives Gewicht zuweist, während die Lehrerpersönlichkeit mit ihrer Ausstrahlung auf die Kinder das größere Gewicht erhält, da die Beziehung zu den Kindern in deren Seele ein Leben lang weiter bestehen wird und sogar über den Tod des Lehrers hinaus eine Geltung haben kann. Somit kann nun der Lehrer ruhig bleiben, sich den äußerlichen Notwendigkeiten fügen und dennoch sich darum bemühen, in seinem Fach ordentliche Werte zu entfalten und zu leben.

Sehr vielseitig wurde so im Laufe des Nachmittags das Thema „Beziehung“ aufgegliedert und auch der Humor kam dabei nicht zu kurz. Trotz der vielen bereits ergrauten Köpfe im Publikum machte sich eine Art Feuereifer des Lernens breit und so werden nun wohl viele Teilnehmer in der kommenden Zeit sich um die praktische Erprobung der verlebendigten Gedanken bemühen, indem sie davon ausgehen, dass Verbindungen, die unter Menschen bestehen, noch nicht gleich wahre Beziehungen sind, sondern erst dazu ausgestaltet und aufgebaut werden möchten:

„Wenn in einer Paarbeziehung eine universale Linie entdeckt wird, so bleibt es nicht bei der bloßen Meinung, sondern es kommt aus dem Beziehungsaustausch ein Empfindungsstoff hinzu, der dem Ganzen Kraft gibt.“ Heinz Grill

 

1Siehe dazu spektrum.de, Suchbegriffe „Dualismus“, „Reduktionismus“

2Siehe dazu den sehr ausführlichen Artikel in der Zeitschrift Spektrum vom 1.7.2000, „Die Fraktale Geometrie des Lebendigen“ von Manfred Sernetz, https://www.spektrum.de/magazin/die-fraktale-geometrie-des-lebendigen/826605, abgerufen am 13.3.2023

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