Rezension des Buches über die Salutogenese als Schatzsuche statt Fehlerfahndung.
Der Autor dieses Buches, Dr. med. Eckhard Schiffer (Jg. 1944) war von 1978 bis zu seiner Pension im Jahr 2009 als Facharzt für Neurologie und Psychiatrie, Psychosomatische Medizin und Psychotherapie am Christlichen Krankenhaus Quakenbrück tätig, bzw. hat diese Abteilung wesentlich mit aufgebaut. Als Arzt interessiert er sich vor allem für die Frage, was den Menschen gesund erhält. Zusammen mit seiner Frau Heidrun, einer Grundschullehrerin, erforschte er, wie Spiel und Dialog zur Suchtprävention bei Kindern beitragen.
Eine Einführung in die Salutogenese
Auf eines seiner in diesem Themenzusammenhang verfassten Bücher bin ich mit dem vorliegenden Buch gestoßen. Es handelt sich um eine Art Einführung in die Salutogenese und ist mit vielen Beispielen auf dem Hintergrund seines Forschungsgebietes verfasst. In 16 kurzweiligen und zugleich informativen Kapiteln folgt er dem menschlichen Lebensablauf, vom Kranksein und Spielen in der Kindheit, bis zur Sinnsuche und dem Tod. Schritt für Schritt führ er den Leser dabei in die „salutogenetische“ Denkweise ein.
Gemäß seinem Arbeitsschwerpunkt erörtert der Autor vor allen Dingen, wie bedeutsam das frühkindliche Spielen und der gelungene Dialog von klein auf für die spätere gesunde Verfassung des Menschen sind. Mit seinen Worten zusammengefasst:
Spielerisch-handelnd entsteht die Basisidentität des Ich, dialogisch-sprechend wird der Mensch am Du zum Ich. Die lebensgeschichtliche Einheit und Kontinuität der Identität zeigen und verwirklichen sich im Kohärenzgefühl.
Was hat Aaron Antonovsky unter dem Kohärenzgefühl verstanden?
Wer sich mit dem Wesen der Salutogenese befasst, stößt sehr schnell auf den von Aaron Antonovsky geprägten Begriff des „Kohärenzgefühls“. Dieses Gefühl, das eine Art inneren wie auch äußeren Zusammenhalt im Erleben des einzelnen Menschen darstellt, ist demnach die wesentliche Voraussetzung für Gesundheit. Es entwickelt sich aus den drei Bedingungen heraus, dass der Mensch seine Lebensumstände als verstehbar, handhabbar und sinnhaft erfährt.
Wie diese Verstehbarkeit, Handhabbarkeit und Sinnhaftigkeit sich im Leben eines Menschen von Kind an auf positive Weise anlegen, erläutert Eckhard Schiffer in den folgenden Kapiteln. Dazu noch ein Zitat über die Sinnhaftigkeit:
Sinnsuche vollzieht sich dialogisch. Im äußeren Dialog mit einem konkreten Du und im inneren Dialog. Beide Dialogformen setzen voraus, dass wir dialogfähig und nicht einem inneren Dikator …unterworfen sind, der ständig nur sagt: „Immer noch nicht gut genug, könnte noch besser sein…“ Der innere Dialog schließt auch ein befragbares Gewissen mit ein. Die schrecklichsten Untaten werden mit einem diktatorischen, nicht befragbaren Gewissen begangen. Ein solches Gewissen unterwirft sich sehr schnell äußeren Autoritäten oder Diktatoren. „Ich habe kein Gewissen. Mein Gewissen ist Adolf Hitler.“, so Heinrich Himmler. Ein befragbares Gewissen bildet sich, wenn die von ihm vertretenen identitätsbildenden Normen ehedem dialogisch vermittelt und nicht nur befehlshaft als „Grenzen gesetzt“ worden sind.
Ist „Salutogenese“ nur neuer Wein in alten Schläuchen?
Nach und nach reift bei dem Leser durch die Lektüre dieses Buches ein Sinn dafür, was diese so neuen und zunächst fremden Begriffe wie „Salutogenese“ und „Kohärenzgefühl“ sagen wollen. Und siehe da! Es sind wohlbekannte Stimmungen, die sich da mitteilen: „Gesund fühlt der Mensch sich dann, wenn er in Harmonie mit sich selbst und mit seiner Umgebung ist.“, so könnte man diese Stimmung auch ganz einfach benennen. Gießen die Forscher der Salutogenese, beginnend mit Viktor Frankl, Aaron Antonovsky und gegenwärtigen Autoren wie Eckhard Schiffer, Dieter Petzold und andere damit nur neuen Wein in alte Schläuche?, so könnte man berechtigterweise fragen.
Als Antwort auf diese Frage würde ich eher auf die Bedeutsamkeit dieses Umstands verweisen, dass hier Menschen sind, die den Blick auf die Entstehung und die Erhaltung der Gesundheit des Menschen auf wissenschaftliche Weise vertiefen. Und sie tun das in einer Zeit, wo das Kranksein bald mehr zur Normalität wird als der Zustand der Gesundheit. Insofern handelt es sich also um ein nicht nur berechtigtes, sondern sogar sehr notwendiges Anliegen und es ist sogar bedauernswert, dass es noch keine Diskussion im größeren Rahmen dazu gibt.
Die Lektüre dieses Buches eignet sich für an der Gesundheit des Menschen interessierte Personen, im Speziellen auch für Eltern, Lehrer und Erzieher, aber genauso auch für Ärzte, Pflegepersonal und Therapeuten.
Spiritueller Wert 2/5
Praktischer Wert 4/5
Eckhard Schiffer, Wie Gesundheit entsteht, Salutogenese: Schatzsuche statt Fehlerfahndung, Taschenbuch, 184 Seiten, Beltz Verlag 2001, 8. Auflage, ISBN 9783407220905
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