Rezension des Werkes über die Selbstheilungskräfte des Menschen, wie sie im Sinne des Yoga aktiviert werden können.
Der Schweizer Remo Rittiner arbeitet seit vielen Jahren als Ayur-Yoga-Therapeut in der Tradition von Krishnamacharya. Im vorliegenden Buch hat er seine Erfahrungen systematisch niedergelegt. Die vier Kapitel befassen sich mit den Grundprinzipien der Yogatherapie, Yoga-Programmen für eine bessere Haltung sowie bei bestimmten Beschwerden und schließlich mit Gedanken zu Heilung und Selbstheilung.
Allem voran betont der Autor die innere Haltung, die bei der Yogapraxis wichtig sei, damit man sich nicht zu sehr physisch anstrenge beim Üben. Bei der folgenden Präsentation strukturell genannter Übungsprogramme geht er der physischen Erscheinung des Menschen nach, von den Füßen über die verschiedenen Gelenkzonen bis hinauf zu den Schultern und gibt jeweils eine spezifische Reihe von ca. 8 Übungen an. Nach einer kurzen Schilderung der verschiedenen Wirkungen der Übungen folgt jeweils eine mit vielen Schwarz-Weiß-Fotos bebilderte Serie.
Ayurveda und Yogatherapie
Zu den verschiedenen Körperzonen fügt der Autor jeweils einen Abschnitt mit theoretischen Erläuterungen hinzu. Was die Übungsprogramme bei bestimmten Beschwerden betrifft, so schickt er voraus, dass es im Grunde keine speziellen Übungen für Krankheiten gibt. Er erwähnt aber jeweils das ayurvedische Grundverständnis zu den Krankheitsbildern und schlägt einfache, für jedermann zu praktizierende Übungen vor.
Auf wenigen abschließenden Seiten erläutert er ausgehend von den bei Patanjali sogenannten 5 kleśa – den Hindernissen auf dem geistigen Weg – den Prozess der Transformation, wie er im Sinne des Yoga verstanden werden kann. Die fünf kleśa lauten: avidyā – falsches Verstehen, asmitā – Ich-Anhaftung, rāga – Gier, dveṣa – Abneigung und Vermeidung und abhiniveśa – Angst. Selbstakzeptanz, Selbstreflexion und Selbsterkenntnis sind die Schritte, in denen sich der Yoga-Übende parallel zur Körperübungspraxis schulen kann.
Yogaunterricht – aus Büchern, durch’s Internet oder mit einem kompetenten Lehrer?
Das großformatige, broschürte Buch ist handlich und lässt sich gut als Leitfaden für ein gezieltes Praktizieren zur Verbesserung der Haltung oder zur therapeutischen Unterstützung bei bestimmten Beschwerden benutzen – vorausgesetzt, dass man bereits mit den Grundlagen der Yogaübungsweise vertraut ist. Obwohl es sicherlich für die meisten Leser eine klare Sache ist, möchte ich an dieser Stelle noch einmal erwähnen, dass man Yoga nicht ohne Probleme aus Büchern lernen kann und dass auch das Internet nur ein sehr behelfsmäßiges Medium ist. Obwohl es auf youtube sehr viele Angebote mit Yoga-Programmen gibt, können diese meiner Ansicht nach eine authentische Lehrer-Schüler-Beziehung nicht ersetzen. Damit sei nun kein abhängiges Guru-Anhänger-Verhältnis gemeint, sondern eine rationale, zur Sache ausgerichtete Beziehung.
Wer vielleicht selbst Yoga unterrichtet, hat bereits sicherlich die Erfahrung gemacht, dass die Schüler hauptsächlich in den Bereichen Fortschritte machen, die man selbst gründlich durchgearbeitet hat. Bloß theoretisches Wissen zu verbreiten, wie es im Universitätssystem allgemein üblich ist, macht erfahrungsgemäß für das Yogaüben keinen Sinn. Die aktuelle Situation der Ausgangs- und Versammlungsbeschränkungen aufgrund des Coronavirus ist deshalb für die gesamte Yogaszene ziemlich gravierend und kann wohl kaum angemessen durch Online-Learning ersetzt werden.
Dennoch möchte ich gerade in diesen Tagen das Buch von Remo Rittiner allen interessierten Yogaübenden zu einer Vertiefung ihrer Praxis empfehlen.
Spiritueller Wert 2/5
Praktischer Wert 4/5
Remo Rittiner, Das große Yoga-Therapiebuch, Yogapraxis für die Gesundheit und einen klaren Geist – Vorwort von Rüdiger Dahlke, 208 Seiten, Broschürt, Via Nova Verlag 2009, ISBN 978-3866161498
Das Buch kann online bestellt werden bei Amazon.at, derbuchhaendler.at, Thalia.at.
Bildnachweis (20-03-30): Amazon