Der Lebenslauf des 14. Dalai Lama, religiöses Oberhaupt für den tibetischen Buddhismus.
Der Tibetaufstand im Jahr 1959 und in der Folge die Flucht von zahlreichen tibetischen Gelehrten und Mönchen bis in die westlichen Zonen hat ganz wesentlich dazu beigetragen, dass der tibetische Buddhismus überhaupt erst richtig im Westen bekannt wurde. Heute gibt es zum Beispiel in Knappenberg/Hüttenberg zwischen Graz und Klagenfurt das Tibetzentrum, an dem Kurse, Seminare und ganze Ausbildungslehrgänge in Buddhistischer Philosophie angeboten werden.
Die tibetische Form des Buddhismus ist wegen ihrer volkstümlichen Art sehr beliebt. Sie ist zum einen geprägt von dem sogenannten Bodhisattva-Ideal. Dieses besagt, dass man erst dann Erlösung erlangen möchte, wenn man auch zur Befreiung aller anderen Wesen auf der Erde beigetragen hat. Des weiteren gibt es eine Fülle von Riten, Praktiken und Zeremonien, die auch auf viele westliche Gottsucher anziehend wirken. Der Dalai Lama dürfte darüber hinaus einer der wenigen religiösen Oberhäupter sein, der zugleich auch eine zentrale politische Rolle einnimmt. Vielleicht ist es auch diese Ähnlichkeit zur Struktur von Kirche, Papst und Vatikan in Rom, die die tibetische Religion denjenigen als Alternative erscheinen lässt, die in katholischen Traditionen groß geworden sind, aber mit den Angeboten der Kirche nicht mehr genügend zufrieden sind.
Ein Blick auf das Leben des jetzigen, 14. Dalai Lama:
Der gegenwärtige Dalai Lama wurde als Lhamo Thondup am 6.Juli 1935 in dem Dörfchen Taktser geboren, das in der chinesischen Provinz Quinghai und in der tibetischen Region Amdo liegt. Als er erst zwei Jahre alt war, wurde er von einer der drei “Suchmannschaften” entdeckt, die in drei Himmelsrichtungen ausgesandt waren, um den neuen Dalai Lama zu finden. Die Suchmannschaft war bereits bestimmten Weissagungen und Zeichen gefolgt und so bis zu dem Dorf des kleinen Lhamo Thondup gelangt. Bei der ersten Begegnung nannte der Kleine einen der (verkleideten) Lamas bei seinem Namen “Lama aus Sera”. Bei der zweiten Begegnung machte man einen Test mit ihm und zeigte ihm verschiedene Gegenstände, die teilweise aus dem Besitz des 13. Dalai Lamas waren. Es wird berichtet, dass der kleine Lhamo ganz genau alle Gegenstände des vorherigen Dalai Lamas mit den Worten “das gehört mir” gewählt hatte.
Bevor der kleine Knabe in das Zentrum Tibets nach Lhasa kommen konnte, mussten erst komplizierte Verhandlungen mit dem chinesischen Provinzgoverneur Ma Bufang durchgestanden werden. Die Verhandlungen zogen sich über zwei Jahre hin und so war er also vier Jahre alt, als er unter dem Schutz einer muslimischen Karawane nach Lhasa reiste und dort die feierliche Inthronisation stattfinden konnte. Als der Dalai Lama 11 Jahre alt war, machte er die Bekanntschaft mit dem Bergsteiger Heinrich Harrer, der ihn dann für einige Jahre in Rechnen, Geographie und Englisch unterwies und ihn schließlich auch auf seiner Flucht nach Indien im Jahr 1950 begleitete. Denn die politische Situation zwischen China und Tibet war derart angespannt, dass er, als er mit 15 Jahren offiziell die Regierungsgeschäfte übernahm, sofort fliehen musste.
Der Dalai Lama als Asylant auf Lebenszeit
Nachdem er 1951 ein Abkommen zwischen Tibet und China unterzeichnet hatte, das praktisch die Unterwerfung von Tibet durch China bedeutete, kehrte der Dalai Lama zunächst wieder nach Lhasa zurück. Ihm und seinem Land wurde eine teilweise Autonomie zugestanden. Dennoch litten die Tibeter unter der militärischen Präsenz Chinas und es kam ab 1956 immer wieder zu Ausschreitungen. Diese gipfelten im März 1959 im sogenannten Tibetaufstand. Auslöser war ein provozierendes Verhalten der chinesischen Regierung, die den Dalai Lama aufgefordert hatten, ohne Gefolge zu einer Theater-Einladung zu kommen. Diese Einladung erging, Zufall oder nicht, genau zeitgleich zu der Vorbereitung für die Geshe-Prüfung des Dalai Lama, was das höchste Diplom in buddhistischer Philosophie für Mönche ist.
Die Tibeter fürchteten um das Leben des Dalai Lama und es versammelten sich 300.000 Menschen vor dem Palast in Lhasa. Die Chinesen schlugen den Aufstand gewaltsam nieder und töteten 86.000 Tibeter. Für den Dalai Lama war es der Moment seiner endgültigen Flucht. Diese hatte er aber schon seit längerem vorbereitet und hatte viele Gold- und Klosterschätze außer Land schaffen lassen. Bis heute residiert der Dalai Lama in der indischen Stadt Dharamsala, wo er unmittelbar nach seiner Flucht eine tibetische Exilregierung gegründet hat. Etwa 80.000 Tibeter sind ihm im Laufe der Zeit nach Indien gefolgt und haben sich im Umland von Dharamsala niedergelassen. Seit 1967 gibt es dort eine tibetische Universität. Das Verhältnis zwischen dem Buddhismus und den modernen Wissenschaften ist dem Dalai Lama ein großes Anliegen.
Der Dalai Lama hat mehrfach an die Vereinten Nationen appelliert, welche China zur Einhaltung der Menschenrechte gegenüber den Tibetern aufgefordert haben. Diese werden bis heute aber schwer unterdrückt. An eine Rückkehr des Dalai Lama als freier Mensch in ein freies Land ist nicht zu denken. In vielen öffentlichen Talkshows und Interviews äußert er sich über sein Land sowie vor allem über den Buddhismus und auch über weltpolitische Themen. So ist der Dalai Lama ein überzeugter Gegner von Atomwaffen.
Ein Bestsellerautor und beliebter Talkshowkandidat
Es gibt zahlreiche Bücher von ihm zu buddhistischen Themen. Seit Anfang seiner Amtsausübung hat er fast jährlich für ein großes Auditorium eine Einweihung in das sogenannte Kalachakra Tantra gegeben. Dabei handelt es sich um einen Text der esoterischen buddhistischen Vajrayana-Tradition (der diamantene Pfad) mit einer speziellen esoterischen Meditationsanleitung, welche bereits von anderen Dalai Lamas wiederholt öffentlich unterrichtet worden ist.
Was seine eigene Ausrichtung innerhalb des Buddhismus betrifft, so bezeichnet sich der jetzige Dalai Lama als in der Nachfolge der 17 indischen Nalanda-Weisen stehend und greift oft auf die entsprechenden heiligen Texte zurück. Er bezieht sich dabei auf den Umstand, dass der Buddhismus wesentlich ausgehend von der indischen Nalanda-Klostertradition nach Tibet gefunden hat. Der interreligiöse Dialog ist eine weitere wichtige Aktivität für ihn, indem er immer wieder mit zahlreichen Vertretern anderer religiöser Orientierung zusammentrifft. Bis heute im Alter von 82 Jahren setzt er diese verschiedenen Aktivitäten soweit es seine Gesundheit erlaubt mit einem vollen Terminkalender fort.
Könnte man den Dalai Lama als “großen Meditierenden” bezeichnen? Ich würde sagen ja, denn das Studium und die Verbreitung des Buddhismus sind seine eigentlichen großen Betätigungsfelder. Dass das nicht selbstverständlich ist, wird deutlich, wenn man einen Blick auf das Leben des 13. Dalai Lama wirft, das viel eher das eines politischen Akteurs als das eines buddhistischen Mönchs gewesen ist. Der 13. Dalai Lama befand sich in einem Konflikt zwischen den kolonialen Interessen Großbritanniens, den politischen Interessen Chinas und den Autonomiebestrebungen Tibets. Die spannungsreiche Situation zwischen China und Tibet, in die der jetzige Dalai Lama praktisch hineingeboren wurde, ist womöglich auch mit ein Resultat aus den vielfach gescheiterten politischen Bestrebungen seines Vorgängers.
Literaturquelle: Wikipedia English Version