Rezension der Vorlesungen, die der Dalai Lama im August 1981 in der Harvard-Universität gehalten hat.
Die Inhalte der Vorlesungen haben nichts von ihrer Aktualität, oder besser gesagt, von ihrer zeitlosen Gültigkeit verloren und so ist das Buch auch heute noch eine empfehlenswerte Einführung in buddhistisches Gedankengut. Der Dalai Lama dürfte eine der berühmtesten Personen der Welt sein und wird von Menschen der verschiedensten Glaubensrichtungen und Vertretern unterschiedlichster Lebensmodelle als Autorität akzeptiert. Am 6. Juli 2018 wird der „Linienhalter der Gelug-Schule des tibetischen Buddhismus“ 83 Jahre alt. (1)
Ein gut verständliches Fachbuch
Das Buch umfasst 10 Kapitel, eingerahmt von einem Vorwort von dem amerikanischen Tibetologen Jeffrey Hopkins, sowie einer ausführlichen Bibliographie am Schluss des Buches. Den letzten Abschnitt bilden Anmerkungen mit den tibetischen Bezeichnungen der vielen fachspezifischen Begriffe, die im Text – glücklicherweise – alle in deutscher Sprache verwendet werden.
Aufgrund der vielen unterschiedlichen Schulen und Lehrmeinungen kann der Neuling im Buddhismus sehr leicht von Begriffen und Bedeutungen verwirrt werden. Dem Dalai Lama gelingt es in diesen Vorträgen, den roten Faden innerhalb der vielfältigen Lehrmeinungen nicht zu verlieren und er schreitet, Thema für Thema voran, beginnend mit „Die analytische Vorgehensweise im Buddhismus“ über „Die Psychologie des Daseinskreislaufs“ bis hin zu „Altruismus“ und schließlich „Weisheit“.
Gleichzeitig erwähnt er aber auch an Stellen, wo es ihm nötig erscheint, welche Lehrmeinung von welcher Schule in unterschiedlicher Weise vertreten wird, so dass der Leser nicht nur einen Einblick in den tibetischen Buddhismus, sondern ganz allgemein eine erste Übersicht über die wesentlichen Begriffe und ihr Verständnis im Buddhismus erhält. Zudem wird der Vortragsstil immer wieder durch Frage-Antwort-Abschnitte aufgelockert.
Leerheit ist nicht gleich Leerheit
Ein Begriff, der für fachfremde Ohren sehr leicht zu Missverständnissen führen kann und auch führt, ist zum Beispiel die „Leerheit“. Von dem gängigen Begriff der Leere ableitend wirkt es sehr unsympathisch, wenn Buddhisten die Leerheit der Objekte oder sogar die Leerheit der Person statuieren. Dank der Beschreibungen des Dalai Lama gewinnt der Begriff der Leerheit eine Kontur, einen Zusammenhang und auch einen Sinn.
Das Weisheitsbewusstsein erfasst das Objekt als leer von jeglicher inhärenten Existenz.
Das heißt, anhand des Begriffs der Leerheit wird der Blick des buddhistischen Schülers auf die Tatsache gelenkt, dass hinter allen Dingen ein geistiger Ursprung besteht und dass kein Ding in der Welt ohne einen solchen Ursprung und ohne eine verborgene geistige Dimension besteht. Die inhärente Existenz, das Vorhandensein eines bloß materiellen Objektes ist in dem Sinn eine Illusion, die es nach und nach durch Textstudium, Meditation und gelebte Alltagspraxis aufzulösen gilt.
Das Buch wird dadurch sehr authentisch, da der Dalai Lama sich Zeit seines Lebens in diesen Fragen und Gedankengängen geschult hat und sicher auch einiges an tiefen Meditationserfahrungen erlebt hat. Wer eine gut verständliche und dennoch solide Einführung in den Buddhismus sucht, dem ist mit den Harvard-Vorlesungen sehr geholfen. Eine gewisse Hartnäckigkeit zum Verstehen-Wollen braucht es allerdings dennoch, da die Thematik für den westlichen Geist zunächst sehr, sehr fremd ist. Man muss sozusagen das Einmaleins oder das Alphabet des Buddhismus lernen wollen.
Spiritueller Wert 5/5
Praktischer Wert 3/5
Das Buch ist online erhältlich über Amazon.at, derbuchhaendler.at und über Thalia.at.
Dalai Lama, Einführung in den Buddhismus, Die Harvard-Vorlesungen, Taschenbuch, 320 Seiten, Herder Verlag 2015, ISBN 978-3451067785
(1) en.wikipedia.org
Bildquellen (18-05-26): Amazon, pxhere.com