Rezension der Auswahl von Osho’s Diskursen zum Thema Yoga und zu den Yoga-Sutren des Patanjali.
Wer kennt nicht Bhagwan, der in seinen späteren Lebensjahren den Namen Osho angenommen hat? Er gilt als der Revolutionär unter den spirituellen Lehrern, denn er hat zeitlebens provoziert und nach neuen Wegen gesucht. Und er hat auch seine Zuhörer dazu aufgefordert, sich selbst zu entdecken und zu transformieren. Bei der Beschäftigung mit seiner Person ist meines Erachtens in erster Linie ein freiheitsliebender und unabhängiger Geist spürbar. Wie tief spirituell dabei seine Worte zu nehmen sind, das mag jeder Leser für sich selbst entscheiden.
„Durch beharrliche innere Übung und Yoga kommt der Geist zur Ruhe“
Osho war sehr belesen und so waren ihm wichtige buddhistische Texte, wie auch die Yogaschriften bekannt. Seine Reden zum Thema Yoga sind im englischen Original in 10 Bänden veröffentlicht worden. Das vorliegende Buch umfasst eine Auswahl aus den ersten fünf Bänden der englischen Ausgabe. In 13 Kapiteln mit 13 verschiedenen Themen aus der Yoga-Philosophie gewinnt der Leser einen Eindruck in die Rede- und Denkweise von Osho und kann sich von seinem spritzigen Geist inspirieren lassen. Die Texte sind nicht schwer zu lesen, da die Themen mit vielen Geschichten ausgeschmückt werden.
Gelegentlich erklärt Osho auch Sanskritbegriffe, wie im dritten Kapitel mit abhyāsa und vairāgya, was „ausdauerndes Üben“ und „Nicht-Anhaften“ bedeutet. Lesen wir an dieser Stelle einmal etwas in den Text hinein:
Die ständige Wiederholung einer bestimmten Übung erreicht das Unbewusste und wird zu einem Teil davon. Einmal zum Teil des Unbewussten geworden, beginnt sie den Ablauf des Unbewussten zu bestimmen. Deswegen arbeitet Yoga sehr viel mit abhyasa. Ein ständiges Wiederholen dient dazu, dein Unbewusstes in Gang zu setzen, und wenn es einmal in diese Richtung zu funktionieren beginnt, kannst du dich entspannen. Jetzt ist keine Anstrengung mehr nötig – die Dinge geschehen von alleine.¹
Und zu vairāgya:
Nicht-Anhaften am Anfang wird nur ein Same sein. Am Ende wird Nicht-Anhaften zu Wunschlosigkeit. Am Anfang bedeutet es Loslassen, aber am Ende wird vairagya – Nicht-Anhaften spontane Wunschlosigkeit sein – kein Verlangen. Am Anfang kaeine Forderungen, am Ende keine Wünsche mehr. Aber wenn du dieses Endziel des Nicht-Wünschens werreichen willst, beginne beim Nicht-Fordern.²
Mit diesen Interpretationen stellt Osho sich inhaltlich gar nicht so weit weg vom traditionellen Yoga, wie man es vielleicht an anderer Stelle meinen könnte. Sicher könnte man über seine Darlegungen diskutieren und es wäre nicht Osho, wenn er plötzlich verlangen würde, dass man seine Worte wie Dogmen konserviert und danach vorgeht.
Sehr zeitaktuell wird Osho im 10. Kapitel, wenn er Patanjali zitiert mit:³
„Wem es an Bewusstheit mangelt, der hält das Vergängliche für das Ewige, das Unreine für das Reine, das Schmerzvolle für das Vergnügliche und das Nicht-Selbst für das Selbst.“
Ist nicht die Weltensituation mit dem Coronavirus eine Herausforderung an uns alle, ein Bewusstsein dazu zu entwickeln? Wer glaubt wirklich daran, dass man Gesundheit durch Bewegungseinschränkung und Entzug von Tageslicht und frischer Luft erreichen kann, wie es weltweit in vielen Ländern als Gegenmaßnahme zur erklärten Pandemie empfohlen oder sogar gewaltsam diktiert wird? Vielleicht mögen einige Tage der Ruhe mit häuslichen Aktivitäten und der Freiheit vom Berufsalltag sehr angenehm sein, aber ist es richtig, dafür die persönliche Freiheit der Selbstbestimmung aufzugeben? Wie erleben wir unsere regierenden Politiker und wo finden wir noch authentische Persönlichkeiten, die mit Charakter eine eigene Anschauung zur Sache vertreten?
Zurück zu Osho und seinen Diskursen über den Yoga bleibt noch darauf hinzuweisen, dass es in dem Buch nicht um Yogaübungen geht, sondern um philosophische Themen aus dem großen Spektrum der Yogaphilosophie. Insofern ist das Buch durchaus eine inhaltliche Bereicherung für Yogapraktizierende. Leider kommen philosophische Hintegründe im Zeitalter der youtube-Video-Yogapräsentationen sehr zu kurz und das Augenmerk ist sehr auf die rein physische Praxis gerichtet.
Für Personen, die sich allgemein mit Oshos Büchern befassen, kann umgekehrt dieses Werk ein Hinweis auf die Yogatradition und ein Ansporn zum praktischen Üben darstellen.
(1) S. 52
(2) S.71
(3) S. 198
Spiritueller Wert 3/5
Praktischer Wert 3/5
OSHO, Das Yoga-Buch, Die Geburt des Individuums, Innenwelt Verlag 2019, 272 Seiten, Taschenbuch, ISBN 978-3947508358
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Bildnachweis (20-04-13): Amazon