Die Vorträge in Washington. Über Frieden, Leiden und Bewusstsein.
Rezension der beiden Vorträge, die Jiddu Krishnamurti zehn Monate vor seinem eigenen Tod am 20/.21. April 1985 in Washington D.C. gehalten hat.
Bei den beiden Vorträgen in Washington handelt es sich um ein kleines Büchlein, das schnell überschaut werden kann. Im Inhaltsverzeichnis werden sie Gespräch 1 und Gespräch 2 genannt, obwohl keine Publikumsfragen gestellt wurden. Aus dem kurzen Vorwort von einem oder einer namentlich nicht weiter erwähnten M. Z. erschließt sich der Grund dafür: Es ist dieses pädagogische Anliegen von Krishnamurti, nicht zu referieren als Gelehrter oder gar als Guru, sondern die Menschen mitzunehmen in ein gemeinsames Betrachten der verschiedenen wichtigen Lebensbedingungen.
Dies scheint laut dem Vorwort in Washington sehr gut gelungen zu sein. Und in der Tat ist es das, was nach der Lektüre ganz stark zurück bleibt. Auch der Leser wird mitgenommen, vom ersten beginnenden Betrachten so wichtiger Begriffe wie Frieden, Leiden, Konflikt, Angst und Denken, bis zur tiefen Einsicht, dass das Leben nur sinnvoll und fruchtbar aus der Meditation heraus geführt werden kann. Diese lebendige, bis ins Innerste gehende Anregung ist es meiner Meinung nach, die den Schriften von Krishnamurti das Prädikat „spirituell“ verleiht.
Frieden ist Abwesenheit von Konflikten
Aber gehen wir der Reihe nach vor: Krishnamurti beginnt also mit der Frage, ob „Frieden auf Erden“ möglich ist. Und gemäß seiner ihm eigenen Vorgehensweise des Absonderns des Negativen kommt er zu der Ansicht: „Denn wenn es keinen Konflikt gibt, dann herrscht natürlicherweise Frieden.“ (S. 17)
Und so wird es bedeutsam, die vielen Konflikte in der Welt und im persönlichen Dasein zu betrachten und nach ihren Ursachen zu forschen. Krishnamurti gibt wohlgemerkt keine Antworten auf die vielen und bedeutsamen Fragen, sondern es liegt ihm vielmehr daran, dass jeder einzelne Zuhörer selbst einen Prozess des aufmerksamen Betrachtens und Erforschens des Lebens beginnt.
Im weiteren Verlauf des Gesprächs kommt Krishnamurti auch auf das Wesen des Bewusstseins zu sprechen. An der Tatsache, dass alle Menschen durch Leiden hindurch gehen, dass also die psychische Kondition der Menschen sehr große Übereinstimmungen aufweist trotz aller äußeren Unterschiede, erschließt es sich ihm, dass das Bewusstsein aller Menschen ein gleiches sein muss. Während es also im äußeren Dasein Unterschiede gibt wie zum Beispiel die verschiedenen Hautfarben der Menschen, so kann man sich dennoch im Bewusstsein als nicht getrennt von anderen Menschen empfinden. Die Folge ist ein großes Verantwortungsgefühl:
„Sie werden niemals einen anderen Menschen umbringen,…weil Sie sich damit selbst umbringen. (S. 21)
Meditation ist vollkommene Aufmerksamkeit
Das Gespräch 2 schließt sich an die Betrachtungen des Vortages an und tatsächlich lesen sich die beiden Gespräche wie ein anschwellender Fluss, der schließlich, mit der letzten Betrachtung zum Wesen der Meditation in das Meer einmündet und sein Ziel erreicht. In einer nach einem bestimmten System durchgeführten Meditation sah Krishnamurti die Gefahr des Abstumpfens des Geistes. In dem Zusammenhang fehlt auch nicht ein kleiner Seitenhieb auf Osho und Maharishi Mahesh Yogi, wenn er sagt, die neuesten Gurus mit ihrer Meditationsweise haben immer Bärte und stecken voller Geld.
Im Unterschied zu einer systematisch praktizierten Meditationsform betont Krishnamurti die notwendige enorme Aufmerksamkeit, die wie eine Flamme in der Gegenwart brennt. Diese Art von Aufmerksamkeit ist es, die über die gewöhnlichen Begrenzungen des Denkens hinausführt: „Wenn Sie vollkommen aufmerksam sind, gibt es kein Selbst, keine Begrenzung.“ Um die Wahrheit zu erfahren, sei deshalb die Selbsterkenntnis, das Erforschen, Studieren und Lernen vonnöten.
Auch dieses kleine Büchlein von Jiddu Krishnamurti kann wertvolle Anregungen zu einem vertieften Erfahren des Lebens geben. Gerade auch die einfache Sprache erleichtert es, den intellektuellen Ballast zurück zu lassen und nach den wesentlichen Erscheinungen des Lebens zu forschen.
Spiritueller Wert 5/5
Praktischer Wert 4/5
Das Buch kann online erworben werden auf Amazon.at, derbuchhaendler.at, Thalia.at. Es sind aber auch beide Vorträge auf youtube zu sehen im Original mit deutschem Untertitel.
Jiddu Krishnamurti, Kann das Leiden jemals enden? Die Vorträge in Washington, 76 Seiten, Aquamarin Taschenbuch Verlag, 1.Auflage 2010, ISBN 978-3-89427-530-3
Bildquellennachweis (17-12-25): Amazon, youtube, bilder4ever.eu