Rezension des Buches „Zen Herz, Ein einfacher Weg zu einem Leben in Achtsamkeit und Mitgefühl“ von Ezra Bayda.
Zen Herz ist nicht das neueste, wohl aber das bekannteste Buch des amerikanischen Zen-Meditationslehrers Ezra Bayda. Mit dem vorliegenden Werk ist ihm eine strukturierte und übersichtliche Einführung in den Zen-Meditationspfad gelungen, der das Bedürfnis eines westlichen Lesers erfüllt. Vermutlich gehört das Buch deshalb auch 10 Jahre nach seiner ersten Veröffentlichung noch zu den gut verkauften Büchern über Zen-Meditation.
Der Inhalt weist eine geradezu rhythmische Gliederung auf, denn es wiederholt sich immer wieder eine Dreiteilung in den verschiedenen Kapiteln. Zunächst gibt es eine große Dreiteilung des gesamten Buches in die Abschnitte über die Mich-Phase, über die Grundlagen, um bewusst zu sein und als Drittes darüber, wie man die Güte kultiviert. Jeder Abschnitt hat fünf Kapitel, wovon das letzte einige praktische Übungsvorschläge zur Meditation enthält.
Ezra Bayda stellt in einem einleitenden Kapitel einen Grundirrtum heraus, dem nach seiner Meinung viele Meditations-Suchende unterliegen. Das ist die Idee, dass es einen einschneidenden Moment geben müsste, eine Art plötzliche Erleuchtung, ab der das ganze Leben eine Wende nimmt und in neuen, menschlich gehobeneren oder zumindest glücklicheren Bahnen verläuft. Demgegenüber betont der Autor, dass es sich bei der Meditation um ein kontinuierliches Praktizieren und damit um ein lebenslanges Wachsen handelt.
Drei Schritte des Wachsens auf dem spirituellen Pfad
Der erste Wachstumsschritt ist demnach, dass man lernt, aufzuhören, sich mit seinem kleinen Ich zu identifizieren und sich mit dem Bewusstsein selbst verbinden lernt. Dieses kleine Ich des Menschen weist viele Ablenkungen und Hindernisse auf. Unter Umständen können sogar spirituelle Erfahrungen sich als unbedeutend erweisen. Beispielhaft nennt er drei wesentliche Ablenkungen und drei Hindernisse auf dem Weg, sowie drei Kontrollstrategien, die ebenfalls von dem inneren Weg ablenken.
Schließlich gibt es drei Säulen, die den Menschen immer mehr zur Erkenntnis seiner wahren Natur führen. Das sind die tägliche Meditationspraxis, die Anwendung im Alltag und regelmäßige Zeiten des Rückzugs und der Besinnung über einen Zeitraum von 3-10 Tagen. – Der zweite Teil des Buches widmet sich der Frage, wie man zu einem größeren Bewusstsein gelangen kann. Beispielhaft nennt Ezra Bayda drei hilfreiche Fähigkeiten, nämlich Ausdauer, Neugierde und Mitleid.
Wenn es im dritten Teil um die Kultivierung der Güte geht, dann spielt dort das Lehrer-Schüler-Verhältnis eine wichtige Rolle. Aufgabe des Lehrers sei es, dem Schüler nun ganz individuell dort zu helfen, wo seine schwierigen Neigungen liegen. So gibt es verschiedene Grundängste, die bei einem Menschen dominieren können, wie z.B. die Angst vor Kontrollverlust, vor Einsamkeit oder vor Versagen.
Wie erlangt man den Zustand des Erwacht-Seins?
Gemäß der buddhistischen Lehre spielt der Begriff des Erwachens eine große Rolle in dem Buch von Ezra Bayda. Der Name Buddha bedeutet auch der Erwachte. Gemäß seiner in der Einführung getätigten Beobachtung behandelt Ezra Bayda nun nicht das Ziel, wie man ein Erwachter wird, sondern wie man sich auf den Weg eines zunehmenden Erwachens macht. Dieses Erwachen bezieht er auf eine größere Bewusstheit im Leben. Der Mensch setzt sich zunehmend mit den versteckten Eigenheiten seiner Person auseinander und lernt auch, mit den Schwierigkeiten, die das Leben bietet, umzugehen. Er beginnt sogar, diese Schwierigkeiten als willkommene Gelegenheiten zum Wachstum zu sehen.
Man könnte hier nun als kritische Anmerkung fragen, ob mit dem Erlangung einer größeren Bewusstheit und allgemein einer größeren Wachheit dem Leben gegenüber tatsächlich bereits der Idee des Erwacht-Seins, des Boddhisattwa-Seins Genüge getan ist. Nimmt man als Beispiel Mahatma Gandhi, der an einer Stelle von Ezra Bayda zitiert wird, so war dieser zwar kein Buddhist, sondern Hindu. Man könnte nun unabhängig von der religiösen Ausrichtung feststellen, dass Gandhi mit seinem Leben den Gedanken der Gewaltlosigkeit realisiert hat. Vom jungen Rechtsanwalt in Südafrika ist er zum weltbewegenden Beispiel für den gewaltfreien Widerstand geworden. Sein Leben könnte interpretiert werden als ein Erwachen zu einer komplett neuen Realität in der Person durch die Realisierung eines persönlichen und universellen Ideales.
Das Beispiel veranschaulicht vielleicht, wie es über das bewusstere Leben hinaus noch viel weitere Dimensionen des Erwachens geben kann.
Erwachen als kontinuierliches Bewusstwerden
Abgesehen von dieser kleinen kritischen Ergänzung kann man sagen, dass das Zen Herz für all diejenigen Personen aus der westlichen Hemisphäre zur Lektüre geeignet ist, die eine praktische und übersichtliche Einführung in die Zen-Meditation suchen. Ezra Bayda klärt einige wichtige Unterscheidungen auf, wie dass das banale Aufgesogensein von einer TV-Sendung nicht bedeutet, mit dem Augenblick eins zu sein. Seiner Ansicht nach geht es darum, sich kontinuierlich mit Übungen und Auseinandersetzung zu einer größeren Bewusstwerdung zu bewegen. Dann können Momente im Leben eintreten, wo für eine kurze Zeit das Leben in seiner Ganzheit und Gegenwärtigkeit erfasst werden kann.
Eine weitere bedeutende Unterscheidung ist diejenige, dass nicht die einzelne womöglich energetisch gut aufgeladene Meditationssitzung von herausragender Bedeutung ist. Der Autor definiert Meditation vielmehr als ein Wachsein gegenüber jeglicher Erfahrung, sowohl der positiven Momente wie der negativen Momente des Lebens. Wer also nur ein Buch für Entspannungs-Meditationen sucht, ist mit Ezra Bayda nicht gut beraten. Hier geht es darum, sich für die Meditation als Lebensweg zu entscheiden.
Spiritueller Wert 3/5
Praktischer Wert 5/5
Das Buch kann online erworben werden über Amazon.at, derbuchhaendler.at, Thalia.at.
Ezra Bayda, Zen Herz, Ein einfacher Weg zu einem Leben in Achtsamkeit und Mitgefühl, 224 Seiten, Arbor Verlag 2011, ISBN 978-3867810265